Das Problem mit den Knigge-Regeln!!

 

 

Heute fange ich mal an mit einer kurzen Einführung über die Knigge-Regeln: 

 

Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge sagt über seine eigenen Knigge-Regeln in Bezug auf das gesprochene oder geschrieben Wort, welche bekanntlich dazu verwendet werden, anderen etwas mitzuteilen.

 

„Unsere Sprache verrät einiges über uns – nicht der schlechteste Grund, eine nuancen- und variantenreiche, ausdrucksstarke Umgangssprache als ehrgeiziges Lebensprojekt zu betrachten. Und lassen wir uns von der alltäglichen Frivolität der Boulevardmedien nicht täuschen: Es gibt unverzeihliche Indiskretionen, und auch die verzeihlichen kratzen an unserem Ruf.“

 

„Willst Du witzige Einfälle anbringen, so überlege auch wohl, in welcher Gesellschaft Du Dich befindest! Was Personen von einer gewissen Erziehung sehr unterhaltend scheint, kann andern sehr langweilig und unschicklich vorkommen, und ein freier Scherz, den man sich in einem Zirkel von Männern erlaubt, würde bei Frauenzimmern übel angebracht sein.“

Aus: ``Über den Umgang mit Menschen, I, 1, 26``

Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge (* 16. Oktober 1752 in Bredenbeck bei Hannover; † 6. Mai 1796 in Bremen) war ein deutscher Schriftsteller und Aufklärer. Von 1780 bis 1784 war er ein führendes Mitglied des Illuminatenordens. Bekannt wurde er vor allem durch seine Schrift Über den Umgang mit Menschen (siehe unten). Sein Name steht heute stellvertretend, aber irrtümlich, für Benimmratgeber, die mit Knigges eher soziologisch ausgerichtetem Werk im Sinne der Aufklärung nichts gemeinsam haben. 1788 erschien die erste Ausgabe seines wohl bekanntesten Werkes Über den Umgang mit Menschen (heute einfach kurz als „Knigge“ bekannt). Knigge beabsichtigte damit eine Aufklärungsschrift für Taktgefühl und Höflichkeit im Umgang mit den Generationen, Berufen, Charakteren, die einem auch Enttäuschungen ersparen sollte. Man kann seine durchdachten und weltkundigen Erläuterungen sehr wohl als angewandte Soziologie würdigen, was in den Abschnitten Über den Umgang mit Kindern, Über den Umgang mit Ärzten, Über den Umgang mit Jähzornigen, Über den Umgang mit Schurken und nicht zuletzt Über den Umgang mit sich selbst deutlich wird.

 

Irrtümlicherweise wurde dieses Buch späterhin als Benimmbuch missverstanden, oft nur nach Hörensagen. Dieses Missverständnis verstärkte bereits der Verlag, indem er nach dem Tode von Knigge das Werk um Benimmregeln erweiterte. Außerdem ist bekannt, dass etwa alle zehn Jahre eine neue Ausgabe herausgegeben wurde – hauptsächlich mit Kleiderregeln. Heute erwartet man von einem „Knigge“ meist Hinweise, wie man Rot- zu Weißweingläsern beim gedeckten Tisch zueinander gruppiert; derlei überging Knigge selbst jedoch völlig.

 

Der Nachfahre Moritz Freiherr Knigge gab im Jahre 2004 in der Intention einer zeitgemäßen Adaption eine moderne Fassung des bekanntesten Werkes unter dem Titel Spielregeln. Wie wir miteinander umgehen sollten heraus. Der Persephone Verlag veröffentlichte 2017 eine Version des Werkes, die der Verlag als „Übersetzung in modernes Deutsch“ bezeichnet und eine sprachlich modernisierte Version des Originals darstellt (ISBN 978-3-9524729-2-7)

 

Warum diese Einführung über die Kniggeregeln. Also: Vor kurzem, an einem Mittwochnachmittag, fand ich auf der Schwelle des Kellerraumes, den ich als Fitnessraum für mich und meine Nachbarn aus unserer Stockwerkeigentümergemeinschaft habe einrichten dürfen, diesen " Brief ", den ich oben abgebildet habe, dank der modernen elektronischen Möglichkeiten, die mir das Computerzeitalter ermöglicht.

Ich habe mich, nach kurzer Überlegung, dazu entschlossen, diesen Brief mal zu analysieren und zwar mit der "Flesch-Reading-Ease-Deutsch"-Methode und analysieren nach den Kniggeregeln. Zuerst mal: Was ist der Flesch-Reading-Easy-Score. Der Lesbarkeitsindex Flesch-Reading-Ease, auch Flesch-Grad genannt, ist ein numerischer Wert, von 0 bis 100, für die Lesbarkeit, der aus einem Text berechnet werden kann. Je höher der Wert ist, desto leichter verständlich ist der Text. Gut verständliche Texte weisen einen Wert von etwa 60 bis 70 auf. Die Flesch-Reading-Ease ist dabei in ihrer Berechnung auf die englische Sprache abgestimmt. Sie berechnet sich nach einer Formel, die ich nicht weiter erläutern werde, da ihr mir sonst den Text um die Ohren haut. Nur so viel: Das Verfahren wurde von Rudolf Flesch entwickelt und von einem gewissen Toni Amstadt auf die deutsche Sprache übertragen (FREdeutsch).

 

Wenn ich jetzt den oben angegeben Text analysiere ergibt sich folgendes:

Der Text enthält einen einzigen Satz mit 5 Wörtern, 9 Silben und 35 Zeichen. Der Flesch-Score beträgt 70. Das heisst, dass der Satz für Leute von 13-15 Jahre und älter mittellesbar ist. Je höher der Wert, (90-100 ist ab 11 Jahre sehr leicht lesbar, 70-80 leicht lesbar und für Personen zwischen 11 und 13) je besser verständlich. Würde die Verfasserin respektive der Verfasser geschrieben haben: ``Bitte beim Verlassen dieses Raumes Licht löschen!!`` wäre der Score 56 gewesen, also mittelschwer zu verstehen. Wäre der Text ``Bitte beim Verlassen das Licht löschen!!`` gewesen, wäre der Text, mit einem Flesch-Score von 77,  leichter verständlich gewesen, und mit dem Satz: ``Also ich muss euch echt bitten beim Verlassen das Licht zu löschen!!`` wäre der Score sogar 85.

Der oben gezeigte Text hat also mit seinen 70 Punkten einen hohen Mitteilungsübermittlungsgrad. Jeder in unserem Wohnblock ist über 13 Jahre alt und müsste den Text ohne weitere nähere Erläuterungen verstehen können. Vorausgesetzt natürlich, dass alle lesen können, aber davon gehe ich mal aus.

Wenn wir den Text im Licht der Kniggeregeln anschauen ist das Urteil weit weniger positiv. Für die, die Interesse daran haben, gut mit dem Nachbarn befreundet zu bleiben empfehle ich folgenden Link: http://www.stil.de/uploads/media/So_klappts_auch_mit_dem_Nachbarn.pdf

Also zum "Brief". Was auffällt ist als erstes: Er ist nicht personifiziert. Es gibt keine Anrede. Also ist er für alle, die ihn lesen oder für niemand. Nur ein Fetzen Papier, der da rumliegt. Denn adressiert, müsste der Brief  erst gefunden werden. Er lag da nur so rum auf der Schwelle, sehnsüchtig wartend auf den Adressaten, der aber nur কাকতালীয়ভাবে (= bengalisch für zufälligerweise und mit einer Fleschscore von 0, da niemand weiss, dass es a. bengalisch ist und b. was es bedeutet) zum Adressaten werden könnte.

Des Weiteren öffnet er mit "Bitte", was im Gesprochenen wahrscheinlich zu "Also Bitte" erweitert sein würde, begleitet von einem verstärkenden Kopfnicken und, bei italienisch gewurzelten, die dazugehörende Handgebärde was sicherlich nicht als eine Bitte verstanden wird. Es beinhaltet  nämlich einen Vorwurf, der an den কাকতালীয়ভাবে  zum Adressaten geworden gerichtet ist.  

Der Zeitpunkt an dem man diese Bitte erfüllen müsste ist wiederum genau angegeben. Allerdings könnte man bemängeln, dass nicht erwähnt wurde, was verlassen werden muss. Beim Verlassen des Raumes hinter dem Brief, des Kellers im Ganzen oder des Fleckens Bad Zurzach (Bad Zurzach ist offiziell ein Flecken und nicht eine Stadt oder ein Dorf)? Wer das nicht versteht kennt den Kantönligeist der Schweiz noch nicht, was ich wiederum niemandem übel nehme.

Was man machen muss ist auch ziemlich deutlich. Das Licht muss, nein soll (!!) gelöscht werden, denn zwei Ausrufezeichen deuten auf einen sehr lauten Befehl hin. Also doch keine Bitte. Damit wiederspricht sich dieser kurze Text klar in sich. Die Bitte ist ein Befehl….an Unbekannt oder an alle, ausser an den Verfasser resp. die Verfasserin des Briefes.

Das bringt mir gleich auf den letzten Verstoss gegen die gute alte Knigge-Regeln. Der Brief ist nicht unterschrieben. Damit gilt er als anonymer Brief, welche Übermittlungsmethode sogar rechtlich als ahnbar, um nicht zu sagen strafbar, gilt. Obwohl.......es gibt uns ein besseres Bild des Verfassers. Es ist wahrscheinlich jemand, der nicht gut selber einsteht für das, was er/sie sagt, es sei denn  jemand deckt ihn/sie. Es sind oft Leute, die immer lächeln, wenn man sie ausserhalb ihres Hauses sieht. Auch da verbergen sie sich hinter einer Wand.....einer Wand der nicht gemeinten Freundlichkeit, Offenheit und sozialem Mitgefühl.

Kurz geht es in diesem Blog darum, dass man Mitteilungen wie die obenerwähnte anders, netter, respektvoller und dadurch meistens wirkungsvoller sagen oder schreiben kann. Darum zum Schluss meines Blog heute ein paar Vorschläge über allgemeine tägliche Mitteilungen, die einem, meist mündlich, übermittelt werden:

Statt: «Das können Sie auch mit mir besprechen.» lieber: «Da bin ich Ihre richtige Ansprechpartnerin.» Statt: «Kann ich Ihnen weiterhelfen?» lieber: «Was kann ich für Sie tun?» Statt:«Worum geht es?» lieber: «Sagen Sie mir noch kurz, worum es sich handelt?» Statt: «Sie haben mir nicht richtig zugehört.» lieber: «Worauf ich hinaus wollte, war ...» Statt: «Sie haben mich falsch verstanden.» lieber: «Lassen Sie es mich anders formulieren ...» Statt: «Die Garantiezeit ist leider abgelaufen, tut mir leid.» lieber: «Ich kann gut verstehen, wie ärgerlich dies für Sie ist. Nun ist aber die Garantiezeit bereits abgelaufen ...» Statt: «Sie müssen sich noch etwas gedulden.»  lieber: «Bitte warten Sie einen Moment.»

 

 

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